(Das tolle Cover und auch das Banner stammen von vercodesign.)
Leseprobe aus "Das Geheimnis von Palau":
Der Höhleneingang war größer, als sie gedacht hatte,
dennoch fürchtete sie einen Moment, nicht durch die
Öffnung zu passen. Sie zögerte kurz, dann folgte sie
Beppo in den Kamin. Sofort ließ die Strömung nach.
Luise entspannte sich ein wenig, als ob das Gezerre an
ihrem Körper auch eins an ihren Nerven gewesen
wäre.
In der Höhle war es wie in einer anderen Welt.
Alles fühlte sich gut an. Rundherum glitzerte es blau
wie bei einer mitternächtlichen Szene in einem romantischen
Walt-Disney-Film. Kitschig? Sie seufzte, so gut
das ging mit einem Schlauch im Mund. Nein, nicht
kitschig.
Beeindruckend. Das war das richtige Wort. Sie
staunte wie ein kleines Kind über die Schönheit einer
Märchenwelt. Wahrscheinlich war ihr deshalb Walt
Disney in den Sinn gekommen. Unter ihr tanzten
unzählige Fische in schillernden Farben, huschten in
ihren eigenen Wirbeln und Kreisen durch das Wasser.
Sie stutzte, als sich ein Fisch langsam aus einer Schule
silberner Barracudas löste. Es war nicht möglich und
doch war er es. Die weißen Narben waren unverkennbar.
Napoleon bewegte sich rückwärts und schob sich
langsam in eine Ausbuchtung unter den Verzweigungen
einer Becherkoralle. Anscheinend war er
diesmal nicht in der Stimmung, sie zu begleiten.
Luises Blick suchte Beppo. Er war am hinteren
Ende der Höhle und schien konzentriert etwas an der
Felswand zu betrachten. Mit einem leichten Schwung
der Beine brachte sie sich in seine Richtung. Sie holte
Luft und hielt sie kurz an, um zu steigen und einer
Tafelkoralle auszuweichen. Wie sie es liebte, durch die
richtige Atmung Sinken und Steigen zu beeinflussen,
zu beobachten, wie ihr Körper auf eine solch simple
Aktivität reagierte, während er so leicht durch das
Wasser schwebte. Wäre schön, wenn man das über
dem Wasser auch könnte. Einatmen, ausatmen und
damit die Höhen und Tiefen des Lebens bestimmen.
Aber vielleicht konnte man das ja. Begannen nicht alle
asiatischen Meditationsformen mit der richtigen
Atmung? Und hatte Tauchen nicht eindeutig etwas
Meditatives? Ich sollte es ausprobieren, entschied sie.
Sie vergaß das Atmen, als sie Beppo erreichte.
Etwas an seiner Haltung irritierte sie. Er schien regelrecht
an der Wand zu kleben, in der Luise jetzt einen
Spalt entdeckte. Er war einen Meter lang, aber kaum
schulterbreit. Beppo hatte seinen Arm hindurch
gesteckt und leuchtete mit der Taschenlampe ins
Dunkel. Über seine Schulter blickend versuchte Luise
etwas zu erspähen, aber der Lichtstrahl schien sich in
der Leere zu verlieren. Sie fuhr erschrocken zurück,
als er plötzlich die roten Schuppen eines riesigen Lapu
Lapu aufleuchten ließ, der sich von der anderen Seite
an den Spalt heran schob. Auch Beppo hatte instinktiv
den Arm zurückgezogen, starrte aber weiterhin durch
das Loch. Luise tippte ihm auf den Arm, um ihn an
seine Kontrolle der verbliebenen Luft zu erinnern,
aber er ignorierte sie.
Stattdessen griffen seine Hände zu den Gurten
seiner Weste und begannen, diese zu lösen. Voller
Unverständnis beobachtete Luise ihn dabei, bis sie
auf einmal begriff. Der Spalt war so schmal, dass er
keine Chance hatte, in voller Tauchermontur
hindurch zu gelangen. Offensichtlich wollte sich
Beppo davon nicht abhalten lassen. Luise wurde
schlagartig eiskalt. Das war verrückt! Beppo konnte
stecken bleiben, er konnte unmöglich so lange die
Luft anhalten, er hatte keine Ahnung, was ihn auf der
anderen Seite erwartete. Das war einfach Wahnsinn.
Die ganze Höhle wirkte auf einmal bedrohlich und
beklemmend.
Luises Starre löste sich und verzweifelt griff sie
nach Beppos Weste, um die Gurte wieder zu schließen.
Er schlug nach ihren Händen und versuchte, sich
weg zu drehen. Das Wasser sprudelte von den aufgeregten
Luftblasen der beiden. Luise stiegen Tränen in
die Augen, als sie beobachtete, dass Beppo die Weste
von seinen Schultern gleiten ließ und sie mit seinem
Karabiner um eine vorspringende Felsnase band. Nur
das Mundstück verband ihn jetzt noch mit seiner
lebensnotwendigen Ausrüstung. Als er sich dem Spalt
zuwandte und mit der Hand nach dem Mundstück
griff, um es nach einem tiefen Atemzug aus dem
Mund zu nehmen, schnellte Luise vor. Sie umklammerte
mit aller Kraft sein rechtes Bein, das Humpelbein,
das Bein, das ihn in die Schräglage brachte und
hoffentlich schmerzte, wenn sie nur fest genug daran
zog und presste. Es war ein stummer Kampf, sie
strampelten wild und Beppo versuchte, sie abzuschütteln,
aber Luise ließ nicht los.
Beppo blieb nichts anderes übrig, als wieder nach
seinem frei schwebenden Mundstück zu greifen, aber
er gab noch nicht auf. Jetzt versuchte er es mit
Zeichen, er wollte sie beruhigen, aber Luise vertraute
ihm nicht. Heftig atmend klammerte sie sich an sein
Bein, als sei es eine Planke, die sie aus Seenot retten
sollte. Diesmal vermied sie den Blickkontakt, sie
wollte sich nicht von Beppo beruhigen lassen, sie
wollte, dass er seine Weste wieder anzog. Sie wollte
hier raus.
Als sie zwei kräftige Arme erkannte, die von
hinten nach Beppo griffen und ihn umklammerten,
verstand sie nicht, was sie da sah.